Warum Wissenschaft in Training und Ernährung das Individuum vernachlässigt

Warum Wissenschaft in Training und Ernährung das Individuum vernachlässigt

Die wissenschaftliche Forschung in den Bereichen Training und Ernährung hat in den letzten Jahrzehnten immense Fortschritte gemacht.

Unzählige Studien liefern uns Richtlinien, was als optimaler Trainingsplan oder optimale Ernährungsweise gilt.

Doch trotz dieser Erkenntnisse bleibt ein großes Problem bestehen:

Die Wissenschaft neigt dazu, das Individuum zu vernachlässigen.

Warum ist das so?

In diesem Artikel beleuchte ich die primären Gründe und zeigen, warum die wissenschaftliche Standardisierung in der Praxis und im Rahmen an eines science-based Ansatzes, oft an ihre Grenzen stößt.

 

1. Das Durchschnittsmodell der Wissenschaft

In wissenschaftlichen Studien werden häufig große Bevölkerungsgruppen untersucht, um allgemeingültige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Diese Forschungsergebnisse basieren auf Durchschnittswerten, was bedeutet, dass sie meist auf den "Durchschnittsmenschen" zugeschnitten sind.

Doch Menschen sind komplex und individuell, was in der Praxis bedeutet, dass die Durchschnittswerte oft nicht auf jeden einzelnen zutreffen.

Ein Trainingsplan, der für die "durchschnittliche" Person optimal ist, könnte für eine andere Person ineffektiv oder gar mit hohem Verletgzungsrisiko verbunden sein.

 

Praxisbeispiel

Ein Beispiel für die Limitierung des Durchschnittsmodells ist das Training von Laufanfängern.

Eine Studie mag zeigen, dass ein Trainingsprogramm mit 5 Laufeinheiten pro Woche für die meisten Teilnehmer optimal ist.

Doch für jemanden, der jahrelang einen sitzenden Lebensstil geführt hat, könnte dies zu Verletzungen führen, weil seine Sehnen und Gelenke nicht auf so viel Belastung vorbereitet sind.

Der Durchschnittsansatz vernachlässigt also individuelle Faktoren wie den Fitnesszustand oder die Belastbarkeit der Gelenke und passiven Strukturen.

 

2. Genetische Unterschiede

Die genetische Variabilität ist einer der Hauptgründe, warum wissenschaftliche Empfehlungen im Bereich Training und Ernährung nicht für alle Menschen gleichermaßen funktionieren.

Jeder Mensch bringt genetische Eigenheiten mit, die seine Fähigkeit beeinflussen, auf bestimmte Ernährungspläne oder Trainingsmethoden zu reagieren.

Zum Beispiel gibt es genetische Unterschiede, die bestimmen, wie gut der Körper bestimmte Nährstoffe, wie Fette und Kohlenhydrate, jedoch auch Vitamine und Mineralien, aufnimmt und verstoffwechselt oder wie effizient er auf bestimmte Intensität, Volumen und Form des Trainings reagiert.

Vor allem individuelle Enzymaktivität auf Zellebene, die Energieproduktion und Zellstoffwechsel regulieren, ist hiervon stark beeinflusst.

Die wissenschaftlichen Empfehlungen, die auf Durchschnittswerten basieren, können diese Unterschiede nicht berücksichtigen.

 

Praxisbeispiel

In der Praxis sieht man genetische Unterschiede deutlich im Ausdauertraining.

Während einige Menschen durch regelmäßiges Laufen ihre Kondition schnell verbessern, gibt es andere, die trotz intensiven Trainings kaum Fortschritte machen.

Ein prominentes Beispiel ist der ACE-Genotyp, der die Leistungsfähigkeit im Ausdauersport beeinflusst.

Eine Studie mag für den „Durchschnittsmenschen“ eine bestimmte Trainingsmethode empfehlen, doch Personen mit einer genetischen Prädisposition für schnelle Muskelfasern werden eventuell weniger von dieser Methode profitieren.

 

3. Unterschiedliche Lebensumstände

Neben der Genetik spielen auch die individuellen Lebensumstände eine große Rolle, wenn es um Training und Ernährung geht.

Menschen haben unterschiedliche Lebensrhythmen, Stresslevel, Schlafgewohnheiten und berufliche Anforderungen.

Ein intensiver Trainingsplan, der in einer Studie als effektiv bewertet wurde, mag für eine berufstätige Mutter oder eine Person mit einem stressigen Job nicht umsetzbar sein.

Ebenso kann eine Diät, die in kontrollierten Studien funktioniert, im echten Leben mit seinen Herausforderungen unpraktikabel sein.

 

Praxisbeispiel

Eine vielbeschäftigte Führungskraft könnte von einem kurzen Trainingsprogramm profitieren, das nur 30 Minuten dauert, anstatt einem längeren Kraftraining von einer vollen Stunde, das in vielen Studien als effektiver für die Muskelaufbau gilt.

Obwohl Studien das Training über eine volle Stunde als effektiver bewerten, ist es für jemanden mit einem stressigen Arbeitsalltag und wenig Zeit oft nicht durchführbar.

In diesem Fall ist ein auf den Lebensstil abgestimmter Ansatz deutlich effektiver.

 

4. Individuelle Präferenzen und mentale Faktoren

Ein weiterer Aspekt, den die Wissenschaft oft vernachlässigt, ist der mentale und emotionale Zustand des Individuums.

Wissenschaftliche Empfehlungen fokussieren sich oft rein auf physische Faktoren wie Muskelaufbau oder Fettverbrennung, ohne die emotionalen und psychologischen Komponenten des Menschen zu berücksichtigen.

Doch Motivation, Freude an der Bewegung und das persönliche Wohlbefinden sowie emotionale Stabilität spielen eine entscheidende Rolle dafür, ob Menschen langfristig an Trainings- und Ernährungsplänen festhalten.

Ein Plan, der zwar auf dem Papier effektiv ist, aber den individuellen Vorlieben und Werten widerspricht, wird langfristig nicht erfolgreich sein.

 

Praxisbeispiel

Ein bekanntes Experiment, das diese mentale Komponente aufzeigt, ist das "Twinkie Diet Experiment", bei dem ein Professor der Kansas State University 10 Wochen lang fast ausschließlich von Junk Food wie Twinkies, Keksen und Chips lebte und dabei 13 kg abnahm, indem er seine Kalorienaufnahme auf 1800 Kalorien pro Tag beschränkte.

Obwohl sein Erfolg aus Sicht des Gewichtsverlusts klar dokumentiert ist, stellt sich in Anbetracht der Auswahl und auch definitiv dem sehr geringen Volumen des Essens basierend auf der Kombination aus hoher Kaloriendichte und geringer Kalorienaufnahme, die wichtige Frage:

Wie waren sein Wohlbefinden, Energielevel, Hungergefühl und seine emotionale Stabilität in diesen 10 Wochen?

 

5. Die Komplexität des menschlichen Körpers

Der menschliche Körper ist unglaublich komplex, und die Forschung kann oft nur Teilaspekte dieser Komplexität erfassen.

Viele wissenschaftliche Studien isolieren einzelne Faktoren wie Makronährstoffverhältnisse oder Trainingsintensität und untersuchen deren Effekte.

Doch in der Praxis interagieren diese Faktoren miteinander und können in verschiedenen Personen unterschiedlich wirken.

So kann eine Ernährungsstrategie, die in einer Studie erfolgreich war, in der Realität ganz anders wirken, weil sie den einzigartigen Stoffwechsel eines Menschen nicht berücksichtigt.

 

Praxisbeispiel

Ein anschauliches Beispiel für die Komplexität des Körpers ist die Reaktion auf verschiedene Diäten.

Während Low-Carb-Diäten in Studien oft als wirksam beschrieben werden, gibt es Menschen, deren Körper besser auf kohlenhydratreiche Diäten anspricht.

In der Praxis zeigt sich dies oft durch ein „Low-Carb-Flu“-Syndrom, bei dem Menschen, die Kohlenhydrate drastisch reduzieren, unter Kopfschmerzen, Müdigkeit und Reizbarkeit leiden, da ihr Stoffwechsel sich anders anpasst als bei anderen.

 

6. Hormonelle Unterschiede

Hormone spielen eine zentrale Rolle in der Regulierung von Stoffwechsel, Fettverbrennung, Muskelaufbau, Motivation und Appetit.

Unterschiede im Hormonhaushalt zwischen Individuen, aber auch zwischen Männern und Frauen, können stark beeinflussen, wie der Körper auf Trainings- und Ernährungspläne reagiert.

Wissenschaftliche Studien geben oft allgemeine Empfehlungen, die hormonelle Schwankungen oder individuelle Unterschiede im Hormonprofil nicht ausreichend berücksichtigen.

 

Praxisbeispiel

Testosteron beeinflusst nicht nur den Muskelaufbau, sondern auch die Motivation und Energie, sich körperlich zu betätigen.

Ein Mann und auch eine Frau mit einem niedrigen Testosteronspiegel kann nicht nur Schwierigkeiten haben, Muskeln aufzubauen, sondern auch weniger Antrieb und Motivation verspüren, regelmäßig und mit höherem Volumen zu trainieren.

Studien zeigen, dass Testosteron das Belohnungssystem des Gehirns beeinflusst und somit direkt mit der Bereitschaft verknüpft ist, körperliche Aktivitäten zu beginnen und durchzuhalten.

Personen mit niedrigem Testosteronspiegel können deshalb trotz eines wissenschaftlich empfohlenen Trainingsansatzes weniger motiviert sein, diesen langfristig durchzuführen, was ihren Erfolg beeinträchtigt.

 

Der Bedarf an personalisierten Ansätzen

Die Realität des Coaching in Training und Ernährung bewegt sich immer mehr in Richtung personalisierter Ansätze.

Da ein science-based Ansatz in der Praxis auf seine Grenzen stösst und vor allem ganzheitliche Erfolge sehr oft aus bleiben.

Den ein science-based Ansatz, der in Theorie Erfolg verspricht, jedoch in der Praxis diesen nicht liefert und vor allem nicht nachhaltig liefert, ist nicht von Dauer.

Ein allgemeiner Trainings- oder Ernährungsansatz, der nicht auf die individuellen Bedürfnisse und Unterschiede eingeht, wird nie das volle Potenzial des Einzelnen ausschöpfen können.

Individualisierte Ernährung und maßgeschneiderte Trainingspläne, die sich basierend auf Monitoring des Fortschritts konstant an die einzelne Person und deren Umstände anpassen, gewinnen an Bedeutung.

 

Praxisbeispiel

Ein Beispiel aus der Praxis für personalisierte Ansätze ist die zunehmende Nutzung der Hautfaltenmessung und des Neurotransmitter Assessments, um personalisierte Ernährungsempfehlungen zu geben.

Ein Fitnessbegeisterter kann einmal im Monat eine Hautfaltenmessung und ein Neurotransmitter Assessment machen und herausfinden, dass sein Körper auf eine fettreichere Ernährung besser reagiert als auf eine kohlenhydratreiche.

Während allgemeine Ernährungsrichtlinien eine ausgewogene Ernährung empfehlen, kann ein solcher Test zu einer individuell maßgeschneiderten Diät führen, die optimaler auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt ist.

Und sich selbst durch messbaren Erfolg bestätigt.

 

Fazit

Die wissenschaftliche Forschung in den Bereichen Training und Ernährung bietet wertvolle Einblicke und Richtlinien, doch sie hat ihre Grenzen.

Die Wissenschaft ist eine wichtige und entscheidende Säule eines kompetenzbasierten Ansatzes. 

Die Tendenz, das Individuum zu vernachlässigen, führt oft dazu, dass allgemeine Empfehlungen in der Praxis nicht für jeden funktionieren.

Letztlich müssen Menschen ihre eigenen Bedürfnisse, Vorlieben und körperlichen Eigenheiten erkennen und in ihren Trainings- und Ernährungsplan einfließen lassen.

Nur so kann die Wissenschaft als wichtige Säulen dienen, um das Beste aus dem eigenen Körper herauszuholen.

 

Weitere Artikel zum Thema Wissenschaft, Training und Ernährung, die Dich interessieren könnten:

Wissenschaft: Die Wahrheit oder nur Gedankenanstoß?

Gibt Wissenschaft falsche Sicherheit? Ein kritischer Blick auf Training und Ernährung

Kalorien besser verstehen: Wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse für Deine Ernährung

Warum ein Science-Based Ansatz Deinen Erfolgen im Training und in der Ernährung im Weg steht

 

Bild: Ein "Twinkie" ist industriell hergestellter Snackkuchen, der für seinen hohen Gehalt an Zucker, gesättigte Fette, Gluten und Laktose sowie vor der Regulation der Transfette in den USA im Jahr 2015 auch reichlich von diesen, bekannt ist. Quasi Junk Food par excellence. Er waren ebenfalls Namensgeber für das "Twinkie Diet Experiment".

Back to blog