„Ask the Coach“ ist die Kolumne in der Wolfgang Unsöld Eure Fragen beantwortet. Das gleichnamige Buch ist direkt hier auf Amazon erhältlich.
Frage: Guten Tag, ich lese zur Zeit das Buch: „Die perfekte Kniebeuge“ aus ihrem Verlag. Auf Seite 91 ist im grauen Kasten die Rede von Relativkraft. Mit diesem Begriff kann ich nichts anfangen und auch die Suche bei Google gibt mir nur Rea-K-tivkraft zur Auswahl. Ist es ein Druckfehler? Danke für Hilfe, Grüsse, Thomas U.
WU: Die Relativkraft gibt es. Die Relativkraft definiert die Maximalkraft in Relation zum Körpergewicht. Sie ist also ein Maß dafür, wie effizient der Sportler sein Körpergewicht in Kraftentwicklung umsetzen kann. So ist aus Sicht der Relativkraft ein Mann mit 75kg Körpergewicht und einer Maximalleistung bei der Kniebeuge von 100kg stärker als ein Mann mit 95kg Körpergewicht und einer Maximalleistung bei der Kniebeuge von 110kg. Der Zweite hat die größte Maximalkraft da 110kg kniebeugen kann und damit 10kg mehr als der Erste. Der Erste ist jedoch in Relation zum Körpergewicht stärker, da 100kg dem 1,33fachen seines Körpergewichts entsprechen. Während beim Zweiten 110kg nur dem 1,15fachen des Körpergewichts entsprechen.
Die Relativkraft ist vor allem bei Sportarten mit Gewichtsklassen wie im Kampfsport und Gewichtheben sowie bei Sportarten mit längerer Belastungsdauer entscheidend. So muss ein Radfahrer am Berg maximale Watt im Verhältnis zu seinem Körpergewicht treten, um so schnell wie möglich zu sein.
So trat der Radfahrer Marco Pantani als er den Rekord in Alp d’Huez auf der berühmtesten Bergetappe der Tour de France aufstellte, in 37:35 Minuten eine Durchschnittsleistung von 403 Watt bei 56kg Körpergewicht zzgl. Rad und Bekleidung. Ein 120kg schwerer Mann müsste um die gleiche Zeit wie Marco Pantini zu treten, auf Grund des höheren Körpergewichts eine Durchschnittsleistung von ca. 1000 Watt treten, was eine bis dato unerreichte Leistung ist. So ist Marco Pantini’s Relativkraft entscheidend für seinen Erfolg am Berg.
Ein guter Vergleich aus dem Gewichtheben ist Olympiasieger Matthias Steiner, der 2008 bei seinem Olympiasieg in Peking mit 150kg Körpergewicht im Umsetzen & Stossen 258kg bewegte. Im Vergleich dazu hat der 3fache Olympiasieger Naim Suleymanoglu eine Leistung im Umsetzen & Stossen von 190kg in der 60kg Gewichtsklasse bei den Olympischen 1988 in Seoul aufgestellt. Matthias Steiner hat somit eine größere Maximalkraft. Aus Sicht der Relativkraft ist Naim Suleymanoglu jedoch um ein Vielfaches stärker, da er das 3,1fache seines Körpergewichts überkopf hob, während es bei Matthias Steiner nur das 1,7fache des Körpergewichts war.
Andererseits vergleicht man Naim Suleymanoglu mit einer Ameise, die bis zum Fünfzigfachen ihres Körpergewichtes heben kann, so zeigt sich, dass die Ameise eine wesentlich größere Relativraft besitzt.
Viel Erfolg bei der Steigerung der Relativkraft!
Bild: Radfahrer und Bobfahrer benötigen ein hohes Level an Relativkraft. In der Höhe angepasst auf ihren Sport.