Ask the Coach #41 – Programm Design Prinzipien

Ask the Coach #41 – Programm Design Prinzipien

Ask the Coach“ ist die Kolumne in der Wolfgang Unsöld Eure Fragen zu Training & Ernährung beantwortet. Das gleichnamige Buch ist im Riva Verlag erschienen und direkt hier auf Amazon erhältlich.

Frage: Wie würde man beim Heavy/Light System das Unterkörperprogramm gestalten? Oberkörper ist klar. Das Training ist metabol mit dem Ziel Muskelaufbau, z.B.: 
A1 LH Kniebeuge, Fersen erhöht 4×4-6 5010 10sec
A2 LH Hack Squat 4×8-12 3010 120sec
B1 LH Rumänisches Kreuzheben 4×4-6 5010 10sec
B2 Beincurls 8-12 3010 120sec
Ich freue mich über Anregungen! Oliver F.

WU: Das Heavy/Light System ist eine sehr gute Option zum Muskelaufbau und wir dadurch charakterisiert, dass zwei Übungen für dieselbe Muskelgruppe im Supersatz ohne Pause dazwischen mit 1 bis 8 Wiederholungen bei der ersten und 4 bis 15 Wiederholungen bei der zweiten Übung ausgeführt werden. Die Grundidee des Heavy/Light System ist ein metaboler Reiz gepaart mit der erhöhten lokalen Ermüdung durch die Kombination der Übungen. 4-6 + 8-12 Wiederholungen hat einen größeren metabolen Reiz als 12-18 Wiederholungen am Stück, auch wenn es die identischen Wdh sind, ist der Durchschnittsreiz deutlich höher. Die Vorteile des Trainingssystem sind sehr ähnlich zum 6+6 System, das ich im Artikel „Ein Trainingsplan für Fettabbau“ vorgestellt habe.

Dein Programmbeispiel ist in der Grundstruktur gut, wirft jedoch im Detail einige Fragen auf. Diese Fragen und deren Antwort basierend auf spezifischen Prinzipien des Programm Designs wie folgt:

Warum LH Hack Squats?

LH Hack Squats sind eine Übung die individuell sehr limitiert ist. Je länger der Torso im Vergleich zu den Armen, desto mehr ist das Gesäß im Weg. Und je glutaeus-dominanter eine Person desto mehr wird bei der Übung mit der Vorlage des Torso kompensiert, was den Trainingseffekt auf den Quadrizeps ebenfalls reduziert. Dies sind primär die beiden Gründe warum ich keinerlei LH Hack Squats verwende. Es gibt eine ganze Reihe von Übungen die den gleichen Job deutlich besser machen.

Warum 4 bis 6 Wiederholungen bei Rumänischem Kreuzheben?

Rumänisches Kreuzheben trainiert primär den Beinbizeps als fokussiertes Glied der hinteren Kette. Da der Beinbizeps als Hüftstrecker statistisch immer mixed- oder slow-twitch dominant ist, macht es in der Kombination mit Beincurls Sinn das Rumänische Kreuzheben als zweite Übung des Supersatzes mit höheren Wiederholungen zu trainieren.

Warum 8 bis 12 Wiederholungen bei Beincurls?

Der Beinbizeps ist grundsätzlich auf Grund seiner Alltagsfunktion ein primär fast-twitch dominanter Muskel. Insbesondere als Kniebeuger ist es dem Beinbizeps kaum möglich in dem trainingsrelevanten Bereich von 70% des 1RM mehr als 8 Wiederholungen zu absolvieren. Ich habe schon fast-twitch dominante Athleten trainiert, die bei Beincurls nur 4 Wiederholungen bei 70% des 1RM ausführen konnten. Somit wird ein Wiederholungsbereich von 8 bis 12 insbesondere im vorermüdeten Zustand kaum Progression über 6 Trainingseinheiten ermöglichen.

Warum Rumänischem Kreuzheben vor Beincurls?

Wenn in den zwei letzten Fragen geklärt, ist in der dieser Kombination das Beincurl die fast-twitch dominantere und das Rumänischem Kreuzheben die slow-twitch dominantere Beinbizeps-Übung. Basierend auf einem der wichtigsten Prinzipen in der Hierarchie der Übungsanordnung, der neuralen Komplexität, ist es entscheidend das Beincurl vor dem  Rumänischem Kreuzheben zu platzieren um konstanten Fortschritt zu ermöglichen.

Warum nur 120 Sekunden Pause nach dem Supersatz?

Wie in Deiner Frage erwähnt ist die primäre Ausrichtung des Heavy/Light Systems metabol, d.h. der Reiz zielt auf die Optimierung und Steigerung der Stoffwechsel-Anpassungen aus. Im Kontext des Muskelaufbaus sind die Anpassungen des lokalen Stoffwechsel durch lokale Ermüdung, wesentlich entscheidender als die Anpassung des globalen Stoffwechsels auf Grund von globaler Ermüdung. Einfaches Beispiel, ein Marathonläufer trainiert primär die Anpassung der globalen Ermüdung. Sein Ziel ist es seinen Körper so schnell wie möglich über eine Distanz von 42km zu bewegen ohne übermässig zu ermüden. Der Muskelaufbau in diesem Szenario hält sich stark in Grenzen. Im Gegensatz dazu versucht der Bodybuilder die lokale Ermüdung zu maximieren in dem er mehrere Übungen mit mehreren Sätzen für einen Muskel ausführt und sogar 30 bis 45 Sätze für einen einzelnen Muskel innerhalb einer Trainingseinheit durchführt. Mit dem Ziel maximaler lokaler Anpassung und damit maximalem Muskelaufbau. Diese Anpassung an lokale Ermüdung ist einer der wichtigsten Mechanismen des Muskelaufbaus. Wenn ich nun die Pause nach einem Supersatz auf 120 Sekunden festlegen. Welche Form der Ermüdung fokussiere ich damit? Die lokale oder globale Ermüdung. Die Antwort ist ganz klar: Die globale Ermüdung. Diese sehr kurze Pause von nur 120 Sekunden wird dazu führen das Trainingsgewicht und damit Trainingsreiz und lokale Ermüdung der Muskulatur deutlich geringer sind. Was genau entgegen dem Ziel der maximalen lokalen Ermüdung entspricht.

Warum 5 Sekunden exzentrisches Tempo bei LH Kniebeugen und Rumänischem Kreuzheben im metabolen Bereich?

Die exzentrische Wiederholung ist entscheidend für den muskel- und kraftaufbauenden Reiz. Ein relevanter Trainingsreiz einer längeren exzentrische Kontraktion basiert jedoch auf Spannung und damit dem verwendeten Trainingsgewicht. Dies bedeutet je höher das Trainingsvolumen eines Programms und je geringer die durchschnittliche Intensität in Relation zum 1RM desto weniger entscheidend, notwendig und sinnvoll eine sehr kontrolliert langsame exzentrische Kontraktion.

Warum nur 4 Sätze bei den Supersätzen?

Bei einer Dauer des Supersatz von ca. 4 bis 4,5 Minuten inkl. Pause sind 8 Supersätze pro Trainingseinheit eine sehr kurze Trainingseinheit. Das Ziel des Muskelaufbaus ist ein Trainingsziel, das grundsätzlich sehr volumen-orientiert ist, dies bedeutet das mehr Volumen und damit ein Ausnutzen der vollen Trainingszeit von bis zu 60 Minuten das Ziel ist.

Basierend auf den Antworten oben ist ein Beispiel, das den Programm Design Prinzipien folgt, dieses Trainingsprogramm:

A1 LH Kniebeuge, 5 Sätze a 4 bis 6 Wiederholungen, 4010 Tempo, 10s Pause
A2 LH Kniebeuge, Fersen erhöht 5 Sätze a 8 bis 12 Wiederholungen, 3010 Tempo, 180s Pause
B1 Beincurls 5 Sätze a 4 bis 6 Wiederholungen, 4010 Tempo, 10s Pause
B2 LH Rumänisches Kreuzheben 5 Sätze a 8 bis 12 Wiederholungen, 3010 Tempo, 180s Pause

Diese Programm sieht sehr ähnlich zu dem oberen aus, wird jedoch in der Praxis konstanteren Fortschritt und einen größeren metabolen Reiz und damit einen größeren Stimulus zum Muskelaufbau zur Folge haben.

Viel Erfolg mit dem Heavy/Light System für den Unterkörper!

Mehr zu den Programm Design Prinzipen und deren Anwendung bei der Erstellung von strukturierten, erfolgsorientierten Trainingsprogramme im YPSI Programm Design Seminar (Modul 3) und im YPSI Advanced Programm Design & Periodisierung Seminar

Im kommenden Jahr folgt ebenfalls der Release eines weiteren Print-Buchs, dem „YPSI Trainer Handbuch“ als begleitende Literatur zur YPSI Trainer B-Lizenz mit dem primären Fokus auf Programm Design Prinzipen, Methoden und Systeme.

Bild: Ein Computer und ein Blatt Papier sind neben den Programm Design Prinzipien die wichtigsten Tools zur Erstellung eines Trainingsprogramms das konstanten Fortschritt ermöglicht.

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