Mikrowelle: Harmlos oder heimlicher Nährstoffkiller?

Mikrowelle: Harmlos oder heimlicher Nährstoffkiller?

Ask the Coach #68

Frage: Hallo Wolfgang! Ein interessantes Thema für einen Artikel und/oder Podcast: Essen aufwärmen in der Mikrowelle – schädlich oder nicht? Es gibt ja einige Mythen über die Strahlung der Mikrowelle, die dem Essen zusetzen soll. Keine Nährstoffe mehr enthalten… Wie stehst du dazu? Riskant, sein Essen dieser Strahlung auszusetzen – die ja zur gleichen Strahlungsart gehört wie WLAN (nach der Podcastfolge mit Armin Rebernig schließlich eher kritisch zu sehen) – oder kann man die Mikrowelle bedenkenlos nutzen? Beste Grüße

WU: Danke für deine Frage! Sie ist sehr berechtigt. Kaum ein Küchengerät ist so verbreitet wie die Mikrowelle und kaum eines wird so kontrovers diskutiert.

Zwischen Mythen über „verstrahltes Essen“ und der täglichen Praxis in Millionen Haushalten liegt ein Feld, das man differenziert betrachten sollte.

Ich persönlich nutze keine Mikrowelle.

Nicht aus dogmatischen, sondern aus praktischen und wissenschaftlichen Gründen.

Und genau diese will ich hier erklären, ohne Alarmismus, aber auch ohne das Gerät blind zu verteidigen.


Was passiert beim Erwärmen in der Mikrowelle?

Die Mikrowelle arbeitet mit elektromagnetischen Wellen im Frequenzbereich von 2,45 GHz, wie Du sagst, dem gleichen Bereich wie WLAN. Diese Strahlung ist nicht-ionisierend, d. h. sie verändert keine chemischen Bindungen oder DNA direkt (anders als z. B. Röntgen- oder UV-Strahlung).

Der Effekt ist rein thermisch: Die Mikrowellen versetzen Wassermoleküle in Bewegung, was Reibung erzeugt und diese erzeugt Hitze. Dadurch wird das Essen erwärmt.

Soweit, so harmlos.

Aber wie immer liegt die Wahrheit im Detail.


1. Nährstoffverluste – vor allem bei Antioxidanzien

Der größte valide Kritikpunkt betrifft nicht die Strahlung selbst, sondern die Erhitzungsart.

Die Mikrowelle erhitzt nicht gleichmäßig und nicht kontrolliert. Im Inneren von Lebensmitteln entstehen oft lokale Überhitzungen, sogenannte „Hot Spots“. Diese führen zu stärkeren thermischen Belastungen bestimmter Nährstoffe.

Besonders hitzeempfindlich sind:

• Antioxidanzien (z. B. Vitamin C, Glutathion, Polyphenole)

• B-Vitamine

• Enzyme (z. B. Myrosinase in Brokkoli – wichtig für Sulforaphan-Aktivierung)

Ein Beispiel: Studien zeigen, dass Brokkoli in der Mikrowelle bis zu 97 % seiner Antioxidanzien verlieren kann. Insbesondere bei hoher Wattzahl und kurzer Garzeit ohne Wasser. Zum Vergleich: Beim schonenden Dämpfen bleibt ein Großteil erhalten.

Auch andere sekundäre Pflanzenstoffe reagieren sensibel auf Mikrowellenbehandlung, insbesondere wenn sie ohne Flüssigkeit und mit Abdeckung zubereitet wird.

Fazit: Die Mikrowelle ist nicht grundsätzlich zerstörerisch, aber in Bezug auf hitzeempfindliche Nährstoffe weniger geeignet als sanftere Methoden wie Dämpfen oder Backen.


2. Gefahr durch ungleichmäßiges Erhitzen

Ein weiterer Punkt ist die ungleiche Erwärmung. In der Mikrowelle kann ein Gericht außen 80 °C erreichen, während der Kern bei 40 °C bleibt. Das ist nicht nur ein kulinarisches, sondern auch ein hygienisches Problem, besonders bei tierischen Produkten, die durchgehend auf sichere Temperaturen gebracht werden sollten.


3. Gefäßmaterialien und Weichmacher

Ein weiteres, oft unterschätztes Risiko ist nicht die Mikrowelle selbst, sondern das, was in ihr steht:

Viele verwenden Plastikschüsseln oder Deckel, die bei Erwärmung Weichmacher (z. B. BPA, Phthalate) oder Mikroplastik freisetzen können, insbesondere bei fett- oder säurehaltigen Speisen. Diese Substanzen stehen im Verdacht, hormonell wirksam zu sein und die Gesundheit langfristig zu beeinträchtigen.

Tipp: Wenn schon Mikrowelle, dann nur mit Glasbehälternniemals Plastik.


4. Sensorik & Struktur: Genuss ist auch ein Qualitätsmerkmal

Abseits der Wissenschaft spielt auch ein praktischer Aspekt eine Rolle: In der Mikrowelle wird Essen oft ungleichmäßig heiß, außen weich oder matschig, innen noch kalt.

Die Konsistenz von Fleisch, Gemüse oder Saucen leidet.

Aus meiner Sicht ein klarer Rückschritt in Bezug auf Genuss und Esskultur.

Etwas auf das ich persönlich großen Wert lege.


Meine persönliche Bewertung

Ich positioniere mich klar gegen den regelmäßigen Einsatz der Mikrowelle.

Nicht weil sie „verstrahlt“ oder grundsätzlich gefährlich ist, sondern weil sie:

• die Nährstoffqualität beeinträchtigen kann (insb. bei Antioxidanzien)

• das Risiko ungleichmäßiger Erhitzung birgt

• Plastik- und Weichmacherprobleme verstärken kann

• und zu sensorisch minderwertigem Essen führt

All das zusammen ergibt für mich ein klares Bild: Die Mikrowelle ist zwar praktisch, aber in keinem Punkt optimal, weder gesundheitlich noch kulinarisch.

Sie ist ein Komfortgerät, das mit dem Backofen, einem Dampfgarer oder schlicht einem Topf auf dem Herd qualitativ nicht mithalten kann.

Wer sie selten und bewusst nutzt (z. B. für ein Glas Suppe im Glasgefäß), muss nicht in Panik verfallen.

Wer jedoch täglich sein Essen damit zubereitet oder aufwärmt, sollte zumindest die genannten Punkte kritisch hinterfragen.


Fazit

Die Mikrowelle ist kein Teufelsgerät – aber sie ist auch nicht harmlos. Sie ist ein Paradebeispiel für: nur weil etwas bequem ist, heißt es nicht, dass es auch gut ist.

Wer Gesundheit, Mikronährstoffdichte und Esskultur ernst nimmt, findet bessere Alternativen.

Ich persönlich bleibe dabei: Kein Mikrowellen-Essen.

Nicht aus Prinzip, sondern aus Überzeugung.

 

„Ask the Coach“ ist die Kolumne in der Wolfgang Unsöld Eure Fragen zu Training & Ernährung beantwortet. Das gleichnamige Buch ist im Riva Verlag erschienen und direkt hier erhältlich

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