Das Schultergelenk ist das Gelenk des menschlichen Körpers das die größte Beweglichkeit hat. Es ist ein Kugelgelenk und hat in gesundem Zustand einen Freiheitsgrad von 360°. Die geringe knöcherne Sicherung führt dazu, dass es ebenfalls das instabilste Gelenk ist, welches die größte muskuläre Sicherung benötig. Diese Funktion übernimmt unter anderem die Rotatorenmanschette – ein Verbund aus vier Muskeln, deren Hauptaufgabe neben Innen- und Außenrotation des Oberarmes die Stabilisierung des Oberarmkopfs im Schultergelenk ist. Die Rotatorenmanschette verbindet den Oberarmknochen mit dem Schulterblatt und bildet quasi eine muskuläre Manschette um das Gelenk, daher ihr Name. So wird verhindert, dass der Humerus (Oberarmknochen) aus der flachen Gelenkpfanne des Schultergelenks auskugelt oder die muskulären und passiven Strukturen nicht verletzt werden, wenn hohe Kräfte auftreten, wie Beispielsweise bei Wurfbewegungen oder bei Schlägen im Kampfsport.
Die vier Muskeln der Rotatorenmanschette
Aus den folgenden vier Muskeln setzt sich die Rotatorenmanschette zusammen:
M. subscapularis
M. supraspinatus
M. infraspinatus
M. teres minor
Der Subscapularis (Unterschulterblattmuskel) befindet sich als einziger Muskel der Rotatorenmanschette im vorderen Bereich des Schultergelenks. Er hat seinen Ursprung an der Vorderseite des Schulterblatts, sitzt somit, vom Rücken her betrachtet, unter dem Schulterblatt und setzt an der Vorderseite des Oberarmkopfs an. Der Subscapularis stabilisiert den Oberarmkopf bei Bewegungen nach vorne im Schultergelenk. In seiner Hauptfunktion ist er ein Innenrotator des Oberarms.
Der Supraspinatus (Obergrätenmuskel) entspringt an der oberen Rückseite des Schulterblatts und zieht sich unter dem Akromion (Schulterdach) hindurch bis zum Oberarmknochen. Die Supraspinatussehne ist bei Erkrankungen der Rotatorenmanschette am häufigsten betroffen. Grund dafür ist der sehr begrenzte Raum, der zwischen dieser Sehne, dem Akromion und dem sich dazwischen befindlichen Schleimbeutel (Bursa subacromialis) besteht.
Das sogenannte „Impingement-Syndrom“ (Engpass-Syndrom) ist primär eine Reizung der Supraspinatussehne, die auftritt, wenn diese während der Bewegung des Oberarms die Unterseite des Akromions stößt. Dies kann bedingt durch den anatomischen Engpass in diesem Bereich durch eine muskuläre Dysbalance zwischen Innen- und Außenrotatoren, dem Vorhandensein eines Knochensporns oder einer Anomalie der Form des Akromions ausgelöst werden. Wenn der Arm seitlich über 90° angehoben oder wenn der Arm nach oben und vorne über den Kopf bewegt und nach innen gedreht wird, tritt das Impingement am stärksten auf. Diese Position entsteht nach einer Wurfbewegung oder zu Beginn der Durchziehbewegung beim Kraulschwimmen. In Wurfsportarten und bei Schwimmern ist eine Entzündung der betroffenen Sehne und des Schleimbeutels relativ verbreitet. Wenn die Ursachen nicht behoben werden, kann die Sehnenentzündung des Supraspinatus zu einer chronischen Erkrankung führen.
Durch Schulterinstabilität kann zudem ein „sekundäres“ Impingement-Syndrom entstehen. Dies betrifft besonders Schwimmer, die häufig über eine erhöhte Schulterbeweglichkeit verfügen. Durch eine sogenannte Laxizität der Schulterbänder kann es dazu kommen, dass der Oberarmkopf beim Heben des Arms nicht mehr fest in der Gelenkpfanne bleibt. Der vergrößerte Bewegungsbereich wirkt sich auf das Längen-Spannungs-Verhältnis der Muskeln der Rotatorenmanschette aus, wodurch diese den Oberarmkopf nicht mehr richtig in der Gelenkpfanne stabilisieren können.
Der Infraspinatus (Untergrätenmuskel) entspringt von der Rückseite des Schulterblatts bedeckt dieses überwiegend. Der Teres minor (kleiner Rundmuskel) entspringt vom seitlichen Rand des Schulterblatts. Beide Muskeln sind hauptsächlich Außenrotatoren des Oberarms. Ihre Sehnen verlaufen über den hinteren Teil des Schultergelenks und setzen an der Rückseite des Oberarmknochens an. Der Infraspinatus wird in seiner Funktion als Außenrotator mehr rekrutiert, je mehr sich der Arm über dem Kopf befindet, der Teres Minor übernimmt vermehrt die Außenrotation je näher sich der Arm am Körper befindet
Weitere Funktion der Rotatorenmanschette
Die Abbduktion des Armes geschieht hauptsächlich durch den Deltoideus (Deltamuskel). Wenn der Deltoideus den Arm vom Körper abduziert, wird dabei der Oberarmkopf angehoben und stößt gegen das Akromion. Dort wird der wird an einer Weiterbewegung gehindert. Infraspinatus, Teres minor und Supraspinatus drehen den Oberarmkopf an diesem Punkt nach innen und unten, so dass das Akromion wieder frei ist und eine 120° Abduktion des Arms möglich wird. An diesem Punkt dreht sich das Schulterblatt von der Wirbelsäule weg nach oben und der Arm kann eine Außenbewegung über die restlichen 60° machen. Um vollen Bewegungsbereich des Schultergelenks nutzen zu können, ist daher eine gleichzeitige Aktivierung der Rotatorenmanschette zusammen mit den übrigen Schultermuskeln erforderlich.
Außenrotatoren und Körperhaltung
Bedingt durch unsere Alltagshaltung, die oft sitzende Tätigkeit in einer enger als schulterbreiten Handposition vor dem Körper erfordert (Schreiben, Lesen, Autofahren, etwas vor dem Körper tragen usw.) oder auch einem im Verhältnis übermäßigem Training der großen Innenrotatoren, wie Pectoralis und Latissimus, sind die Innenrotatoren oftmals tight, während die Außenrotatoren zu wenig Spannung haben. Als Folge stehen viele Menschen in entspannter Position so, dass ihre Handflächen nach hinten und ihre Handrücken nach vorne zeigen (pronierte Handposition). Normal und ein Zeichen von struktureller Balance von Innen- und Außenrotatoren wäre eine neutrale Handposition, bei der die Handflächen zum Körper zeigen. Durch gezieltes Dehnen der Innenrotatoren (Besenstilstretch) und Training der Außenrotatoren lässt sich der Alltagshaltung entgegenwirken.
Training der Rotatorenmanschette
Da die Muskeln der Rotatorenmanschette wie erwähnt in erster Linie eine stabilisierende Funktion haben, ist es sinnvoll sie erst am Ende einer Trainingseinheit isoliert zu trainieren. Eine Vorermüdung würde die Leistung bei anderen Oberkörperübungen wie z.B. Klimmzügen oder Bankdrücken reduzieren.
Nachfolgend ein 4-Phase Progression. Die Übungen werden in Abhängigkeit vom übrigen Programm als B-Übung oder als C-Übung integriert.
Phase 1: Außenrotation am Kabelzug (auf Hüfthöhe), Arm angelegt, horizontal, 3 Sätze à 8-12 Wdh., 3011 Tempo
Phase 2: Außenrotation, mit Kurzhantel, sitzend an Scottbank, Ellenbogen auf der Lehne, Arm seitlich neben dem Körper, 4 Sätze à 5-7 Wdh., 3020 Tempo
Phase 3: Außenrotation, mit Kurzhantel, seitlich an Scottbank sitzend, Ellenbogen auf der Lehne, Arm vor dem Körper, 4 Sätze à 6-8 Wdh., 3210 Tempo
Phase 4: Außenrotation, mit Kurzhantel, auf Flachbank sitzend, ein Bein auf der Bank aufgestellt, Ellbogen auf Knie, mit Fat Gripz, 4 Sätze à 4-8 Wh., 4010 Tempo
Die Außenrotation sollte häufig trainiert werden, um so eine muskuläre Balance zu den oftmals dominanten Innenrotatoren, zu denen wie erwähnt auch der Pectoralis und der Latissimus gehören, herstellen zu können. Die Innenrotation sollte nie isoliert trainiert werden, da so nahezu immer eine vorhandene Dybalance größer wird bzw. eine Dysbalance entstehen kann.
Die Ausführung der Übungen und weitere fortgeschrittene Varianten der Außenrotation sowie deren Periodisierung sind Inhalt des Modul 2 der YPSI Trainer B-Lizenz sowie dem YPSI Advanced Funktionelle Anatomie Seminar.
Viel Erfolg mit dem Training der Rotatorenmanschette!
Bild: Die Muskeln der Rotatorenmanschette aus zwei Perspektiven – von vorne (links) und von hinten (rechts)