Kreatinin und Nierenschäden: Mythos oder Realität?
Immer wieder taucht im medizinischen Alltag und in Gesprächen rund um Fitness die Frage auf:
„Ist ein erhöhter Kreatininwert ein Zeichen für Nierenschäden?“
Die kurze Antwort: Nein – Kreatinin schädigt die Niere nicht.
Ein erhöhter Kreatininwert kann ein Hinweis darauf sein, dass die Nierenfunktion überprüft werden sollte – aber er ist nicht automatisch ein Beweis für eine Erkrankung.
Dazu kommt:
Gerade bei Sportlern kann ein erhöhter Wert völlig andere Gründe haben.
In diesem Artikel erfährst du, was Kreatinin ist, welche Faktoren den Wert beeinflussen und warum besonders im Krafttraining häufig erhöhte Werte gemessen werden – ohne dass dies ein Anzeichen für eine Erkrankung sein muss.
Was ist Kreatinin?
Kreatinin ist ein Abbauprodukt, das im Körper ganz natürlich entsteht. Es wird aus Kreatin gebildet – einer Substanz, die in der Muskulatur gespeichert ist und eine zentrale Rolle in der Energiebereitstellung spielt.
Jedes Mal, wenn Muskeln arbeiten, wird ein kleiner Teil des gespeicherten Kreatins zu Kreatinin abgebaut. Dieses Kreatinin gelangt ins Blut und wird über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden.
Wichtig zu verstehen:
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Kreatinin ist kein Fremdstoff, sondern ein normaler Bestandteil des Stoffwechsels.
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Ein erhöhter Wert bedeutet nicht, dass Kreatinin „die Niere angreift“.
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Vielmehr ist Kreatinin ein Marker, der Hinweise auf die Nierenfunktion gibt – aber selbst keine Ursache für Nierenschäden ist.
Warum kann Kreatinin erhöht sein?
Ein erhöhter Kreatininwert bedeutet nicht automatisch, dass die Nieren geschädigt sind. Es gibt mehrere Faktoren, die den Wert beeinflussen können – völlig unabhängig von einer Erkrankung.
Muskelmasse
Je mehr Muskelmasse ein Mensch hat, desto mehr Kreatinin wird gebildet. Ein Kraftsportler produziert daher ganz natürlich höhere Werte als eine Person mit weniger Muskulatur.
Körperliche Belastung und Training
Intensives Training, insbesondere Krafttraining oder Ausdauersport mit hoher Belastung, kann den Kreatininwert kurzfristig erhöhen.
Ernährung
Fleisch oder Fisch liefern direkt Kreatin und Kreatinin. Ein eiweißreicher Ernährungsstil kann die Werte daher leicht nach oben verschieben.
Flüssigkeitshaushalt
Bei Flüssigkeitsmangel ist die Konzentration von Kreatinin im Blut höher – ohne dass mehr produziert wurde.
Medikamente und individuelle Faktoren
Auch Medikamente sowie Alter, Geschlecht und Genetik können den Wert zusätzlich beeinflussen.
Fazit
Ein erhöhter Kreatininwert hat viele mögliche Ursachen. Besonders bei Menschen mit viel Muskelmasse oder regelmäßigem Training ist er häufig eine normale Begleiterscheinung.
Häufiger Irrtum im Alltag
Die meisten Ärztinnen und Ärzte haben nur selten mit Menschen zu tun, die regelmäßig und ambitioniert Krafttraining machen.
Zur Einordnung eine einfache Rechnung:
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Etwa 10 % der Deutschen sind in einem Fitnessstudio angemeldet.
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Etwa 10 % dieser Mitglieder trainieren regelmässig.
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Von diesen regelmäßig Trainierenden wiederum ist nur ein Bruchteil wirklich ambitioniert – nehmen wir konservativ weitere 10 %.
Das bedeutet: Weniger als 0,1 % der Gesamtbevölkerung trainieren ernsthaft mit Gewichten.
Anders gesagt: Nur eine von tausend Personen in Deutschland gehört in diese Kategorie.
Für die medizinische Praxis heißt das: Ärztinnen und Ärzte sehen in ihrem Berufsalltag extrem selten solche Fälle. Entsprechend wird ein leicht erhöhter Kreatininwert bei Sportlern schnell als Warnsignal interpretiert – obwohl er in diesem Kontext meist unproblematisch ist.
Kreatinin vs. CK (Creatinkinase)
Ein weiteres Missverständnis entsteht dadurch, dass Kreatinin und CK (Creatinkinase) oft verwechselt werden.
Kreatinin
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Abbauprodukt von Kreatin, entsteht gleichmäßig durch Muskelstoffwechsel.
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Dient als Marker für die Nierenfunktion.
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Übliche Werte: etwa 0,6–1,3 mg/dl.
CK (Creatinkinase)
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Ein Enzym in Muskelzellen.
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Steigt stark an, wenn Muskeln intensiv belastet oder verletzt werden.
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Werte können nach hartem Training vierstellig oder sogar höher werden – ohne Krankheitswert.
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Hat nichts mit der Nierenfunktion zu tun.
Das Entscheidende:
Kreatinin ist ein Marker für die Niere, CK ein Marker für Muskelbelastung. Beide Werte dürfen nicht verwechselt werden.
Protein und Niere
Ein weiterer Mythos lautet: „Eine eiweißreiche Ernährung schädigt die Nieren.“
Hintergrund
Eiweiß wird im Körper zu Aminosäuren abgebaut, dabei entstehen Stickstoffverbindungen, die über die Nieren ausgeschieden werden. Deshalb entstand die Annahme, dass mehr Eiweiß die Nieren belasten würde.
Realität
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Bei gesunden Nieren zeigt sich in Studien kein Hinweis auf Schädigungen durch eine eiweißreiche Ernährung.
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Sportler, die seit Jahrzehnten proteinreich essen, weisen keine erhöhte Rate an Nierenerkrankungen auf.
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Ein höherer Eiweißkonsum kann den Kreatininwert geringfügig verändern – er verursacht aber keine Krankheit.
Ausnahme
Nur bei bereits bestehenden Nierenerkrankungen kann eine Reduktion der Eiweißzufuhr medizinisch notwendig sein.
Fazit:
Protein schädigt gesunde Nieren nicht. Kreatinin steigt durch Protein nicht pathologisch an.
Was bedeutet das in der Praxis?
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Ein erhöhter Kreatininwert ist kein Beweis für eine Nierenschädigung.
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Bei Sportlern können Muskelmasse, Training, Ernährung und Flüssigkeit den Wert erhöhen – ohne Krankheitsbedeutung.
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Ärztliche Bewertung muss immer im Gesamtkontext erfolgen (weitere Blutwerte, Urinanalysen, Lebensstil).
Das Entscheidende:
Leicht erhöhte Kreatininwerte sind bei sportlich aktiven Menschen meist eine normale Begleiterscheinung von Training und Muskelstoffwechsel – nicht automatisch ein Alarmzeichen.
Fazit
Der Mythos „Erhöhter Kreatininwert = Nierenschaden“ ist falsch.
Kreatinin ist ein Marker, der Hinweise geben kann, aber selbst keine Ursache für Nierenschäden ist.
Nur im Zusammenspiel mit anderen Werten und unter Berücksichtigung des Lebensstils lässt sich eine verlässliche Aussage treffen.
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