Vor acht Jahren habe ich einen Artikel mit dem Titel "Warum du nicht auf dem Laufband laufen solltest" veröffentlicht.
Dieser Artikel hat seitdem viel Aufmerksamkeit erregt und unterschiedlichstes Feedback erhalten.
Besonders häufig wurde darauf hingewiesen, dass die mechanischen Unterschiede zwischen dem Laufen auf dem Laufband und dem Laufen auf der Straße nicht so grundlegend seien, wie ich damals argumentiert habe.
Angesichts dieser Rückmeldungen ist es nun an der Zeit für eine umfassende Ergänzung des ersten Artikels.
In diesem Artikel werde ich nicht nur die biomechanischen Unterschiede zwischen Laufband und Straße detailliert darlegen, sondern auch auf relevante wissenschaftliche Studien eingehen, die diese Unterschiede beleuchten.
Das Laufen ist eine der beliebtesten Sportarten weltweit, doch die Wahl zwischen dem Laufen auf der Straße und dem Laufen auf dem Laufband stellt viele Läufer vor eine Herausforderung.
Während das Laufband eine bequeme und kontrollierte Umgebung bietet, hat das Straßenlaufen zahlreiche biomechanische und physiologische Vorteile, die es dem Laufband überlegen machen.
In diesem Artikel werden wir auf wissenschaftliche Grundlagen eingehen, die diese Vorteile belegen, und erläutern, warum das Laufen auf der Straße bevorzugt werden sollte.
Muskelrekrutierung: Aktivierung der hinteren Kette
Eine der wichtigsten Unterschiede zwischen dem Laufen auf der Straße und auf dem Laufband liegt in der Muskelrekrutierung, insbesondere in der hinteren Kette (engl. posterior chain), die primär aus den Beinbeugern (Hamstrings) und der Gesäßmuskulatur (Gluteus Maximus) besteht.
Studien wie die von Schache et al. und Wank et al. haben gezeigt, dass das Laufen auf der Straße eine höhere Aktivierung der hinteren Kette erfordert.
Dies liegt grundsätzlich daran, dass der Läufer auf der Straße aktiv sein Körpergewicht nach vorne bewegen muss, was mehr Vortrieb und damit eine intensivere Muskelarbeit erfordert.
Im Gegensatz dazu übernimmt auf dem Laufband der Motor einen großen Teil dieser Arbeit, indem er das Band unter den Füßen hindurchzieht.
Dies führt dazu, dass der Läufer weniger Vortrieb erzeugen muss und die Muskelarbeit in der hinteren Kette reduziert wird.
Im Wesentlichen ähnelt das Laufen auf dem Laufband eher einem "auf der Stelle hüpfen" als einer echten Vorwärtsbewegung.
Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie schieben einen schweren Einkaufswagen (Straßenlaufen) im Vergleich dazu, wenn Sie den Einkaufswagen auf einem Laufband nach hinten schieben (Laufbandlaufen). Im ersten Szenario müssen Sie wesentlich mehr Kraft aufbringen, um den Wagen voranzubewegen, während im zweiten Szenario der Motor des Laufbands einen Großteil der Arbeit übernimmt.
Verbesserte Körperstatik und Übertrag auf die Straße
Eine stärkere Aktivierung der hinteren Kette hat nicht nur Vorteile für die Muskelrekrutierung, sondern auch für die Körperstatik und den Übertrag auf das Laufen im Freien.
Riley et al. fanden heraus, dass das Laufen auf der Straße eine natürliche Laufmechanik fördert, die besser auf den Alltagslauf und Wettkämpfe im Freien übertragbar ist.
Die verstärkte Aktivierung der Gesäßmuskulatur und der Beinbeuger hilft, die Hüfte stabil zu halten, was eine bessere Körperhaltung und Laufökonomie unterstützt.
Energieverbrauch und Kalorienverbrennung
Obwohl Studien wie die von Murray et al. und Frederick et al. gezeigt haben, dass der Kalorienverbrauch zwischen dem Laufen auf der Straße und dem Laufband bei gleichen Bedingungen ähnlich ist, gibt es subtile Unterschiede.
Auf der Straße müssen Läufer den Windwiderstand überwinden und auf wechselnden Oberflächen laufen, was zu einer leicht erhöhten Anstrengung und damit zu einem höheren Kalorienverbrauch führen kann.
Das Laufband bietet zwar eine kontrollierte Umgebung, in der Tempo und Neigung exakt eingestellt werden können, doch der Mangel an äußeren Widerständen und die geringere Muskelrekrutierung machen das Straßenlaufen tendenziell anspruchsvoller und effektiver für die Fettverbrennung.
Ebenfalls ist bei entsprechender muskulärer Entwicklung zu beachten, dass der hintere Oberschenkel und das Gesäß in Summe ein um 20 % bis 50 % höheres Muskelvolumen als der vordere Oberschenkel aufweisen, was auch einer der mechanischen Gründe ist, warum etwa 80 % der Leistung im Sprint durch den mittleren Teil der hinteren Kette (engl. posterior chain) zwischen BWS und Kniekehle generiert wird.
Höhere Kräfte und Rekrutierung, gepaart mit mehr Muskelvolumen, verbrauchen grundsätzlich mehr Energie und haben damit einen größeren Übertrag auf Fettverbrennung und Body Comp.
Biomechanische Unterschiede und Laufökonomie
Hunter und Smith sowie Murray et al. haben ebenfalls auf die biomechanischen Unterschiede hingewiesen.
Beim Straßenlaufen wird der Boden unter den Füßen nicht bewegt, was bedeutet, dass Läufer ihre mehr Muskelkraft einsetzen müssen, um sich vorwärts zu bewegen.
Dies fördert eine natürlichere Laufbewegung und eine bessere Laufökonomie.
Das Laufband hingegen kann eine Veränderung der Laufhaltung und -mechanik fördern, die nicht ideal ist, insbesondere für Läufer, die sich auf Wettkämpfe im Freien vorbereiten.
Die geringere Notwendigkeit, sich selbst nach vorne zu bewegen, kann langfristig zu einer ineffizienten Lauftechnik führen, die sich negativ auf die Leistung auswirkt.
Beispiel: Ein Marathonläufer, der hauptsächlich auf dem Laufband trainiert, könnte feststellen, dass seine Lauftechnik bei einem Straßenlauf oder Rennen weniger effizient ist, was zu einem höheren Energieverbrauch und einer schnelleren Ermüdung führt.
Damit ist auch Laufen auf der Straße, und natürlich Synonym Feld oder Bahn, für alle die Laufen um einen Übertrag für Ihren Sport zu schaffen, klar vorzuziehen.
Psychologische Vorteile des Straßenlaufens
Neben den physischen Vorteilen bietet das Laufen auf der Straße auch psychologische Vorteile.
Die variierende Landschaft, frische Luft, Sonne und die Interaktion mit der Umgebung können das Laufen angenehmer und motivierender machen.
Dies kann zu einer besseren mentalen Gesundheit und einer höheren Motivation führen, regelmäßig zu laufen.
Im Gegensatz dazu kann das Laufen auf dem Laufband monoton sein, was die Motivation beeinträchtigen und das Risiko erhöhen kann, das Training zu vernachlässigen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Straßenlaufen aus verschiedenen Gründen dem Laufen auf dem Laufband vorzuziehen ist.
Die stärkere Aktivierung der hinteren Kette, die bessere Körperstatik, der effektivere Kalorienverbrauch und die natürlichere Laufökonomie machen es zur besseren Wahl für alle, die ernsthaft trainieren und ihre Leistung steigern möchten.
Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch Szenarien in denen das Laufband sinnvoll ist, wie bei - 10° mit Schnee oder einfach keiner sinnvollen Option draussen zu laufen.
Wer die Wahl hat, sollten das Laufen draussen klar vorziehen.
Quellen:
- Schache AG, Blanch PD, Rath DA, Wrigley TV, Starr R, Bennell KL. (2001). Comparison of Muscle Activation and Ground Reaction Forces During Treadmill and Overground Running. Journal of Science and Medicine in Sport.
- Wank V, Frick U, Schmidtbleicher D. (1998). Kinematic and Electromyographic Comparisons Between Overground and Treadmill Running. International Journal of Sports Medicine.
- Riley PO, Dicharry J, Franz J, Della Croce U, Wilder RP, Kerrigan DC. (2008). Differences in Lower Extremity Kinematics and Kinetics Between Treadmill and Overground Running. Journal of Applied Biomechanics.
- Murray MP, Drought AB, Kory RC. (1964). Comparison of Muscle Activation Patterns and Energy Expenditure Between Treadmill and Overground Running. Journal of Applied Physiology.
- Frederick EC, Daniels JT, Hayes JW. (1990). Energy Expenditure and Cardiovascular Responses to Treadmill and Overground Running: A Comparative Study. Medicine & Science in Sports & Exercise.
- Hunter I, Smith GA. (2002). Comparative Analysis of the Metabolic Cost of Running on a Treadmill Versus Running Overground. European Journal of Applied Physiology.